12 Uhr Mittags kommen wir nach 40 Stunden Zugfahrt endlich am Bahnhof von Lhasa. Nach unserer Ankunft in Tibet bleiben wir zwei volle Tage in der Hauptstadt, um uns an die Höhe zu gewöhnen. Angesichts der kommenden Kopfschmerzen und Müdigkeit, eine sehr gute Idee! 3.200 Meter Höhe sind unfassbar anstrengend für den Körper. Ich könnte schon um 18 Uhr schlafen gehen, habe Kopfschmerzen und bin nach fünf Minuten Treppensteigen erschöpft. So muss es sich wohl anfühlen, alt zu sein.
Als wir aus dem Zug aussteigen, erwartet uns schon die erste von noch sehr vielen Passkontrollen. An der Eingangstür des Bahnhofes werden wir dann direkt für eine zweite Kontrolle abgefangen. In einem kleinen Haus nebenan werden unsere Pässe und Tibet Permits mit Argusaugen angeschaut.
Tibet-Reisetipp Nr. 1: Be fearless – So beantragst Du Dein Tibet Permit
Willst Du wissen, wie ich mein Tibet Permit erhalten habe? Nein? Ich erzähle es trotzdem:
- Voraussetzung ist der Besitz des China Visums: Was irgendwie witzig ist, denn: Bei Beantragung des China Visums darf man in gar keinem Fall angeben, dass man nach Tibet reisen möchte. Dann bekommt man es nämlich nicht! Und die Einreise nach China ist auch gleich gefährdet.
- Dabei niemals die Tibet-Reise angeben: Weil man nun für das China Visum von A bis Z angeben muss, wo man sich im Land aufhalten wird, ist man gezwungen seine Tibet-Reise zu vertuschen.
- Ein gefälschter Reiseplan muss her: Am einfachsten fand ich es, alles meiner Agentur zu überlassen. Sie hat mir einen gefakten Reiseverlauf geschrieben. Inklusive der Unterkünfte, in denen ich angeblich schlafe. Statt der Woche in Tibet, war ich eine Woche lang in Peking.
- Und ein gefälschtes Flugticket: Meine Route ging nämlich von Lhasa über Chengdu nach Bangkok. Da ich bei Beantragung des China-Visums Hin- und Rückflug einreichen muss, war der Lhasa-Teil kritisch. Die Agentur hat also einfach diesen Teil gelöscht. Es blieb ein Chengdu-Bangkok-Flugticket.
Dass die chinesische Botschaft diese beiden Sachen kinderleicht hätte checken können, machte mir nur geringfügig Angst. Ich hatte Panik! Beim Gang zur Botschaft sprang mir mein Herz fast heraus. Aber es sollte alles gut gehen. So läuft das halt. Alles ein offenes Geheimnis.
Ankunft in Tibet: Willkommen auf dem Dach der Welt
Nach der Grenzkontrolle laufen wir aus dem Bahnhofsbereich heraus und treffen auch sogleich auf Dalah. Unserem super netten Fahrer. Dalah ist Tibeter, spricht unglaublich gutes Englisch und ist unfassbar nett. Nach meiner China-Erfahrung eine willkommene Abwechslung. Einen zweiten Kulturschock werde ich hier wohl nicht erleiden.
Dalah begrüßt uns ganz traditionell mit der Khata, einem Begrüßungsschal aus Seide, den er jeden von uns um den Hals legt und einmal zubindet. Der weiße Stoff symbolisiert das reine Herz des Überreichenden. Dieser Akt zeigt Glück, Wohlwollen und Mitgefühl seinen Gästen gegenüber. Wir können die Khata später in einem der Mönchsklöster oder im Potala Palace als Opfergabe hinterlassen.
Die chinesische Wahrheit in Tibet
Vom Bahnhof sind es etwa 20 Minuten Fahrtweg in die Innenstadt Lhasas. China hat die Hauptstadt leider fest im Griff. Das sieht man sofort. Wir fahren vorbei an chinesischen Großbauten. Uniform, beige, eins wie das andere aussehend. Dazwischen schmiegt sich ein bunt leuchtendes Riesenrad samt Vergnügungspark. Auf jedem Hausdach steckt eine chinesische Fahne. An jedem Mast weht dieses rote Stück Stoff mit den fünf gelben Stern darauf.
In Tibet und vor allem Lhasa, wird alles versucht, Gästen und Einwohnern zu demonstrieren, dass man sich immer noch in China befindet. Es liegt in der Luft, wer in Tibet mittlerweile die Macht und das Sagen hat.
Unsere erste Unterkunft bei Ankunft in Tibet: Yak Hotel
Viel von Reisetipps kann ich nicht mehr sprechen. China versucht den Tourismus so stark wie es nur geht zu reglementieren. Als Alleinreisende darf man nicht ins Land einreisen. Du musst eine Agentur haben, die Dich in Reisegruppen nach Tibet bringt. Darum ist meine Reiseroute, die Unterkünfte und Sehenswürdigkeiten auch komplett durchgeplant und fremdbestimmt. Aber so viel vorweg: Die Reise ist einer der besten meines Lebens und ich bereue keinen Cent, den ich hierfür ausgegeben habe.
Unbekannte Mitbewohnerin statt Einzelzimmer-Zuschlag
Unser erstes Hotel, das Yak Hotel Lhasa, ist schön und urig. Das Zimmer ist dunkel und mit einem schweren, dunklen Teppich ausgelegt. Die Möbel sind alle aus tiefsten braun. Irgendwie gefällt es mir. Das Bad ist natürlich wieder komplett verglast. Nur ein durchsichtiger Vorhang verhüllt die Popos der Benutzer. Wenn man sich das Zimmer mit einer fremden Person teilt – so wie ich – kommt man sich doch sehr schnell, sehr nah.
Um Geld zu sparen, habe ich angegeben, dass ich meine Unterkünfte in Tibet gerne mit einer zweiten Person teilen möchte. So entfiel der Einzelzimmerzuschlag von etwa weiteren 150 Euro. Zum Glück war meine Tibet-Mitbewohnerin großartig – nicht nur ihr Popo.
Tipp für das richtige Akklimatisieren:
Ich hörte, dass man bei seiner Ankunft in Tibet am ersten Tag nicht zu heiß duschen sollte. Der Tipp kam nur leider zu spät. Hätte ich gekonnt, wäre die Wassertemperatur schon weit nach oben angezogen worden. Nur leider funktionierte wohl der Boiler am ersten Tag nicht, sodass ich nur kalt duschen konnte. Bei 10 Grad Temperaturunterschied zu China ganz schön gemein.
Die ersten Stunden in Tibets Hauptstadt
Meine beiden Zugbekanntschaften haben ihre Zimmer direkt neben unserem. Zusammen laufen wir ein noch ein wenig durch die Stadt, holen uns literweise Wasser und gehen etwas essen. Wir suchen verzweifelt nach der Tibet Family Kitchen, die im Lonely Planet als Top-Restaurant empfohlen wird.
Auf der Suche nach Essen
Google Maps lotst uns in eine ruhige Seitenstraße. Vor der Hausnummer angekommen, wundern wir uns: kein Namensschild. Dafür Menschen, die an einem Tisch sitzen und essen. Wir treten ein. Alle Augen sind auf uns gerichtet. Sie haben sich gleichzeitig vom Fernseher gelöst. Kurz sind alle wie versteinert. Denn offensichtlich ist dies kein Restaurant, sondern eine Familienküche. Plötzlich bietet uns die Dame des Hauses ihre angefangene Suppenschüssel an. Unter kichern und entschuldigen auf Englisch, stolpern wir rückwärts wieder heraus.
War das nun ein Privathaus oder doch ein Restaurant und wir haben nur nicht verstanden, was sie meinte? Das werden wir nie erfahren. Aber unter lachen und schmunzeln gehen wir wieder auf die Hauptstraße zurück.
Weil auch der zweite Lonely Planet-Tipp nicht aufzufinden ist (für immer geschlossen), landen wir im Snowland Restaurant auf der Hauptstraße. Ich esse einen Yak-Gulasch, der leider nur ein wenig Fleisch mit klarer Brühe ist. Obwohl die anderen happy mit der Restaurantwahl sind, würde ich es nicht empfehlen. Ich meine, hier kann man Schwarzwälder Kirschtorte essen – das sagt doch alles.
19 Uhr ist Zapfenstreich
Um 19 Uhr sind wir todesmüde und gehen ins Bett. Es ist ganz gut, dass wir drei Nächte in Lhasa bleiben. Plötzlich auf 3.200 Meter zu sein, verlangt dem Körper ganz schön viel ab. Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Unwohlsein, Müdigkeit und trockene Lippen sind noch das harmloseste, was einen erwarten kann. Da helfen nur drei Liter Wasser am Tag, wenig Bewegung und viel Schlaf.
Meine Ausgaben heute: Was kostet Tibet?
- 1 3-Liter Kanister Wasser, 1 1 Liter-Wasserflasche, Süßkartoffel-Küchlein und 1 Steamed Bun: 4,12 €
- Mittag: Yak-Suppe mit Kartoffeln (3,86 €), Süßer Milchtee (2,58 €) und 2 Wontons (1,29 €)