An 3.200 Höhenmeter muss man sich erst einmal gewöhnen. Darum bleiben wir zwei volle Tage in Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Auf dem Programm stehen pro Tag auch nur zwei Sehenswürdigkeiten. Im ersten Moment war ich ein wenig enttäuscht darüber. Aber eigentlich ist das komplett genug für unser Energielevel. Heute sind wir in zwei der größten Klöster Tibtes, die es geschafft haben zu überleben. Ausgenutzt von der chinesischen Regierung, um als schmucke Touristenmagneten zu dienen und den Schein zu wahren, das hier alles mit rechten Dingen zu geht.
Meine erste Nacht in Tibet war großartig. Ich habe zehn Stunden in meinem super gemütlichen Bett durchgeschlafen. Im Gegensatz zur restlichen Gruppe merke ich auch keine Verschlechterung im Liegen. Noch kann ich frei atmen und habe keine Kopfschmerzen. Mal sehen, wie lange das noch gut geht.
Start your day right: Frühstück im Yak Hotel in Lhasa
Nachdem ich gestern nach meiner Ankunft nur kalt duschen konnte, gönne ich mir heute früh eine lauwarme Dusche – der Boiler geht wieder! Um 8.30 Uhr treffen wir vier uns dann zum Frühstück. Es gibt ein nettes Buffet mit einem Mix aus britischen und asiatischen Essen: von Omelette über Pommes und Salat bis Reis mit Gemüse. Man kann sich auch das tibetische Grundnahrungsmittel Tsampa zusammenmixen.
Tsampa ist ein weißes Mehl aus geröstetem Getreide. Man mixt es mit Po Cha (salzigem Buttertee) bis man eine dickflüssige Masse hat. Fast wie Griesbrei. Mit Banane und Honig schmeckt es auch eigentlich gar nicht mal so schlecht. Nur nicht zu viel davon essen – das gibt Durchfall!
Heute treffen wir endlich auch auf unseren Tourguide und die restliche Gruppe. 9 Uhr ist Treffpunkt in der Lobby. Wir sind die letzten. Das wird sich in den kommenden Tagen auch nicht mehr ändern. Uns schauen acht liebe Augenpaare an. Ein deutsches, frisch verheiratetes Paar auf Flitterwochen, ein älterer Pole und unser Tourguide Lima. Tibets Klöster Teil 1 kann starten.
Kleiner Realitäts-Check: Wie Tibet von China unterdrückt wird Teil 1
Lima ist jung. Mitte 20. Unverheiratet. Seine Geschwister sind kurz nach der Ergreifung Tibets ins Ausland geflüchtet. Damals war das noch leichter möglich. Er war fünf Jahre alt. Seine beste Zukunft sieht er im Tourismus. Mit der Unterstützung seiner Eltern ging er auf die Sprachschule. Einen Schulabschluss hat er nicht. Er spricht sehr gutes Englisch. Und noch viele andere Sprachfetzen.
Sein Job muss hart sein. Jeden Tag Touristen durch sein Land zu fahren, in dem er selbst gefangen ist. Tibeter haben nämlich keinen Reisepass. Sie dürfen ihr Land nicht verlassen. Nur nach China, Taiwan und Hongkong reisen. Gefangen im eigenen Land, während seine Gäste in der ganzen Welt zu Hause sind. Ist das gerecht? Oder menschlich, China?
Tibets Klöster Nr. 1: Drepung Monastery
Wir steigen in unseren privaten Minibus – der übrigens mit Kameras zum Abhören und Kontrollieren der Tourguides ausgestattet ist – und fahren zum ersten, der vielen noch folgenden Klöster in Tibet. Ich freue mich unfassbar darauf.
Buddhismus ist für mich so eine spannende Religion, weil sie in jedem Land anders aussieht. Die Klöster sind anders. Die Maßstäbe, nach denen Mönche leben sind anders. Hier sind sie zum Beispiel erlaubt Fleisch zu essen, weil es in der Höhe einfach nichts anderes gibt und es eine wichtige Energiequelle ist. In Japan sind Mönche strikt vegetarisch, teilweise schon vegan.
Dunkle & herzliche Begrüßungen vor der Drepung Monastery
Die Drepung Monastery ist einer der größten Klöster der Welt und liegt westlich vom Potala Palace auf einem Berg. Übrigens liegen hier die meisten Klöster auf Anhöhungen. Das bringt sie näher an den Himmel und lässt sie leichter verteidigen.
Bevor wir eintreten dürfen, erfolgt unsere dritte Passkontrolle. Dieses Mal werden auch die Taschen durchleuchtet.
Wir werden begrüßt von einer grauen Wolke und einem Mann, der grüne Kräuter am Fuße der Drepung Monastery verkauft. Bevor man ein Kloster betritt, soll man diese anzünden und sich von dessen Rauch einhüllen lassen. Das wäscht einen rein von seinen Sünden.
Wie in allen tibetischen Klöstern und heiligen Stätten, tritt man seinen Rundgang auch in der Drepung Monastery im Uhrzeigersinn an. Immer weiter den Berg hinauf, geht es an unzähligen goldenen Gebetsmühlen vorbei. Auch hier kann man seinen Geist, die Seele und den Körper reinigen – und natürlich zu Buddha beten – indem man sie an den Holzgriffen unten im Uhrzeigersinn dreht.
Kleiner Realitäts-Check: Wie Tibet von China unterdrückt wird Teil 2
Auf unserem Gang durch das Kloster sehen wir sehr viele Pilger. Tibeter, die aus Lhasa und Umgebung kommen, um hier zu beten und ihre Opfergaben niederzulegen.
Mönche sehen wir nur wenige. Wir schreiten entlang schmaler Gassen, vorbei an den einfachen Unterkünften der Bewohner. Viele Häuser stehen leer. Sie warten auf eine Rückkehr, die es nie geben wird. Vor der kulturellen Revolution Chinas gab es 2.500 Klöster in Tibet. Nach Chinas Eingreifen stehen nur noch 70. Statt 110.000 Mönche und Nonnen leben nur noch 7.000 in Tibets Klöstern. 10.000 sind geflohen. Was ist mit dem Rest passiert?
Umgeben von schneebedeckten Bergen
Von der Versammlungshalle ganz oben auf dem Berg hat man einen fantastischen Blick auf Lhasa, das Tal und die schneebedeckten Berge. Die Luft ist frisch und kalt. Es ist still. Ehrfürchtig.
Wir schauen uns noch ein paar Hallen an. Ich bin überwältigt von der Schönheit, der Detailverliebtheit, der Liebe und Hingebung in diesen Räumen. Wirklich jeder Millimeter ist bedeckt von bunten Tüchern, goldenen oder smaragdgrünen Buddha-Statuen, die mal liegen, mal sitzen, mal stehen. Von den Glasvitrinen voller Gebetsrollen auf zartem Papier. Von Bildern und Statuen der 13 vergangenen Dalai Lamas. Wahnsinn. Noch schöner wird es, wenn dann die Sonnenstrahlen von einem bunten Fenster ganz oben im Raum hereinscheinen und die Weihrauchwolken in ihrem Lichtkegel tanzen lassen.
Mittagspause, Butter Tea & Toiletten-Geschichten
Nach diesem ersten Wow-Kloster geht es weiter zur Sera Monastery. Da wir ein festes Zeitfenster haben, in dem wir rein dürfen, haben wir jetzt eine Stunde Mittagspause, bevor es weiter geht.
Ich entscheide mich für die gedämpften Yak-Momos, weil ich die Beef Buns in China einfach so geliebt habe. Und zum ersten Mal versuche ich auch den traditionellen Buttertee – trotz aller Warnungen meiner Mitreisenden. So sind dann alle Augen auf mich gerichtet, als ich die Tasse mit dem dampfenden Tee an meine Lippen setze.
Ich puste die kleine Dampfwolke weg und nippe an der hellbraunen, milchigen Flüssigkeit. Und verziehe das Gesicht beim ersten Schluck. Auch der zweite wird nicht besser. Der Tee schmeckt tatsächlich nach Salz und Butter! Somit bleibt nur noch eine Verfechterin des Butter Teas in unserer Gruppe. Ich bleibe dann doch lieber beim Sweet Tea, der einfach nur lecker nach Milch und Zucker schmeckt.
Das erste Mal geht es jetzt auch auf eine öffentliche Toilette. Bei drei Liter Wasser pro Tag, werde ich diese leider sehr oft nutzen müssen. Und ich kann sagen: Diese hier soll noch die beste Toilette meiner gesamten Reise werden. Was Ekelhaftigkeit angeht, werde ich nach Tibet einfach richtig abgehärtet sein.
Meine 3 liebsten Toiletten-Geschichten in Tibet:
- Ein Restaurant auf unserem Weg zum Mount Everest Base Camp hat seine Toilette draußen im Hinterhof. Man muss ein paar Steinstufen hochlaufen und hat dann zwei Löcher im Boden vor sich. Schön, wenn man so intim nebeneinander Pipi machen kann. Auf dieses Podest hat übrigens auch der Nachbar einen guten Blick.
- Ein Häuschen – immerhin kann hier nicht die ganze Welt reinschauen – mit sechs nebeneinander liegenden Löchern im Boden. Die Blickabsperrung geht uns zu der Hüfte und befindet sich nur seitlich. Vorne reinschauen kann man also, wenn man sehen möchte, wie andere so im Hocken Pipi machen.
- Ein richtiger Raum mit richtigen Toilettentüren und -wänden! Wow. Nur hatten drei der sechs Toiletten gar keine Türen mehr, es lagen offene Binden auf dem Boden und sehr große Haufen in und neben den Löchern.
Und hiermit möchte ich nie wieder über Toiletten in Tibet sprechen.
Tibets Klöster Nr. 2: Sera Monastery
Hier hat es mir sehr gut gefallen. Irgendwie war die Stimmung lockerer, ungezwungener, glücklicher. Was sicher auch an den vielen jungen Mönchen lag, die wir gesehen haben. Trotzdem war mein Highlight ein sehr alter und sehr glücklicher Opi. Und das kam so:
Richtig beten im Uhrzeigersinn
Am Anfang des Kloster sind sehr viele und recht große Gebetsmühlen in einem Quadrat nebeneinander angeordnet. Man soll drei Mal im Uhrzeigersinn an den Mühlen vorbei gehen und dabei jede einzelne drehen. Einmal für Buddha, einmal für den Geist und einmal für den Körper. Wir Banausen machen es natürlich alle nur einmal. Da kommt ein alter Opi an. Sicher über 80 Jahr alt. Mit einem dicken Grinsen auf seinem vom Alter gezeichneten Gesicht mit den roten Bäckchen. Er greift sich einen von uns, hakt sich ein und geht mit ihm drei Mal im Kreis. Es gibt kein Entkommen. Wir sollen es ja richtig machen. Als die beiden fertig sind, schnappt er sich die zweite Person. Und freut sich seines Lebens.
Wir schauen uns auch einmal die Küche des Klosters an. Jeder hat einmal Küchendienst und muss kochen. In der Bibliothek kaufe ich mir einen gesegneten Anhänger. Er ist riesig und gelb, aus Bändern geflochten mit einer braunen Kugel in der Mitte. Der kommt an unseren Weihnachtsbaum.
Wenn Mönche debattieren
Zum Schluss dürfen wir noch bei einer Mönchs-Debatte dabei sein. Jeden Tag zur selben Zeit, treffen sich alle Mönche des Klosters auf dem großen Platz.
Die zwei Ältesten führen die Debatte an. Einer muss sich ihnen stellen. Dabei stellt der Jüngere Fragen, die die Älteren beantworten müssen. Liegen sie falsch, erklärt der Jüngere, wie die richtige Antwort lautet. Somit kann er Punkte sammeln und spirituell aufsteigen. Drum herum sitzen alle Mönche des Klosters. Johlend und kreischend, wenn die Älteren falsch liegen. Eine sehr dynamische und unterhaltsame Veranstaltung – auch wenn ich nichts verstehe.
Als wir nach 10 Minuten wieder gehen, kommen uns ganz junge Mönche laufend und lachend entgegen. In ihren Händen tragen sie große Krüger voller Buttertee. Sie sind wohl ein bisschen zu spät dran für die Diskussion. Ob das Abzüge im Karma gibt?
Unser tibetisches Willkommensdinner
Nach den beiden Klöstern sind wir schon total fertig und wollen nur eins: uns kurz hinlegen. Zwei Sehenswürdigkeiten klingen wenig, sind aber auf 3.200 Höhenmeter doch ziemlich anstrengend. Eine kurze Pause später, soll es aber schon wieder weitergehen.
Unsere Reiseagentur Budget Tibet Tours verwöhnt uns heute mit dem besten Essen Tibets und lädt zum Willkommensdinner ein. Wir gehen zu einem Restaurant, wo „zufällig“ auch Limas Freunde arbeiten. Alle sind super freundlich, am Lachen und Bewundern. Wie immer finden alle Gefallen an unseren großen Holländer mit indischen Vorfahren. Zum Abschied werden noch Fotos mit ihm gemacht.
Nach und nach füllt sich der Tisch. Unsere Augen werden immer größer. Mir läuft das Wasser schon im Munde zusammen.
Einmal quer durch die tibetische Küche essen
- Momos: gedünstete, tibetische Teigtaschen gefüllt mit Yak-Fleisch
- Eier-Tomaten-Suppe
- gebratene Aubergine mit Bohnen
- gebratene Kartoffelstreifen
- gedünstetes Pak Choi
- gebratenes Rind- und Hammelfleisch am Knochen mit Chili
- gebratenes Yak-Fleisch
- natürlich Reis als Beilage
Nach dem Essen sind wir satt und überglücklich. Geschafft haben wir leider nicht alles. Mist, wo ist bloß die Tupperdose?
Was ich persönlich sehr schade finde: Unser Tourguide Lima setzt sich nicht mit zu uns, sondern bleibt bei seinen Freunden, den Kellnern im Restaurant, und spricht nur sehr wenig mit uns. Gerne würde ich ihn einmal „privat“ kennenlernen – abseits vom Tourbus mit seinen Überwachungskameras. Ich habe so viele Fragen, die wahrscheinlich viel zu gefährlich wären, ihm zu stellen.
Auf einen Absacker in die Tibet Family Kitchen
Nach dem Essen entscheiden sich fünf von uns noch auf einen Absacker. Natürlich in Form von Sweet Tea – Alkohol sollte man in den ersten Tagen auf dieser Höhe nicht trinken. Es ist schon dunkel und sehr kalt. Ich bin also wirklich froh über Fleece- und Daunenjacke und freue mich auf ein wärmendes Getränk.
Wir laufen die Hauptstraße Danjielin Road entlang, die so hübsch beleuchtet ist. Die Straße ist noch voll, aber unfassbar ruhig. Auch die Muru Nyingba Monastery wacht strahlend über die Stadt. Schade: Gegenüber steht ein bunt beleuchteter Weihnachtsbaum samt super kitschiger Straßenbeleuchtung Richtung Bahnhof. Die Chinesen übertreiben natürlich wieder.
Endlich gefunden!
Nachdem wir am Ankunftstag die Tibet Family Kitchen nicht gefunden haben, stehen wir nun doch endlich davor. Sie scheint wohl auf die andere Seite der Innenstadt gezogen zu sein. Es ist brechend voll mit Reisegruppen. Im zweiten Stock finden wir aber noch ein gemütliches Plätzchen.
Wir bestellen eine Thermoskanne voll Sweet Tea und erwärmen uns an dem süßen Milchtee. Schnell bekommen wir auch noch Besuch: das kleine Mädchen der Inhaberin turnt auf unseren Sesseln umher und will Faxen machen mit den so anders aussehenden Gästen. Sie ist zuckersüß und hat es doch so faustdick hinter den Ohren.
Eine Stunde später gehen wir wieder Richtung Hotel. 21 Uhr. Höchste Zeit fürs Bett.
Meine Ausgaben heute: Was kostet Tibet?
- Mittagessen: Wonton (2,58 €) und geteilte Kanne Buttertee (1,25 €)
- Restbetrag für die gesamte Tibet-Tour: 536,40 €
2 Kommentare
Hey liebe Lisa,
wow, dein Reisebericht hört sich so schön an. Tibet steht schon seit ewigen Zeiten auf meiner Bucketliste, leider hat es bis jetzt aber noch nicht geklappt. Vor zwei Jahren war ich aber zumindest in Kathmandu in Nepal, das ist ja schon ganz nah dran an Tibet. Jetzt, nachdem ich deine Berichte gelesen habe, ist das Fernweh natürlich wieder groß. So gerne würde ich diese majestätischen Klöster mal mit eigenen Augen sehen!
Ganz liebe Grüße,
Melanie
Liebe Melanie,
Tibet war wirklich beeindruckend. Nicht das klassische Reiseland, aber das macht ja den Reiz aus. Nepal finde ich auch super spannend. Da habe ich es noch nicht hingeschafft. Aber irgendwann 🙂
Viele Grüße
Lisa