Beim Erklimmen der 1.149 Stufen des Laozhai Mountain fällt mir ein: Ich habe lange nicht mehr über Schweiß geschrieben. Meine Anfangszeit in Südkorea und Japan war ja stark von den heißen Temperaturen geprägt. Dann wurde es erträglicher und ich konnte den Schweiß-Sarong wegpacken. Seit wir in China sind, ist es wieder unerträglich heiß geworden. Was uns nicht vom Fahrradfahren in Yangshuo abhält und auch nicht vom Bergerklimmen in Xing Peng. Und weil meine Reisepläne nicht richtig aufgehen wollen, mischen sich auch noch ein paar kleine Tränchen zum Schweiß dazu. Das wichtigste aber: Ich habe heute zwei sehr wichtige Dinge gelernt. Diese Message am Ende, sollte sich jeder zu Herzen nehmen, der sich mal wieder sagt: „Hätten wir es doch lieber so und so gemacht, dann wäre es jetzt besser…“.
Der ursprüngliche Plan war zwei Nächte in Yangshuo zu bleiben. Hier dann ganz romantisch mit dem Fahrrad den Yulong River entlang zu radeln, mit einem echten Bambus-Boot ohne Motor zu fahren und auf den ein oder anderen Berg zu klettern. Irgendwie sind wir dann doch in Xing Ping gelandet. Was gut ist: Hier hat man vom Laozhai Mountain einfach den allerschönsten Blick auf die umliegenden Karsteinfelsen. Den Sonnenuntergang um 19 Uhr kann man auch nur mitnehmen, wenn man hier schläft, da der letzte Bus nach Yangshuo um punkt 19 Uhr fährt. Außerdem liegt der Bahnhof nach Guilin viel näher an Xing Ping als an Yangshuo. Was für unseren Abreisetag viel stressfreier werden sollte.
Trotzdem wollte ich Yangshuo nicht ganz von meiner Liste streichen. Muss ich auch nicht, denn die beiden Orte liegen sehr nah bei einander und Busse fahren alle 15 Minuten rüber. Weil wir uns heute viel vorgenommen haben, starten wir um 9 Uhr mit unserem Yangshuo-Tagesausflug.
Yangshuo-Reisetipp Nr. 1: Frühstücken im Starbucks mit der schönsten Aussicht – theoretisch
Erst geht es zum Starbucks mit der wohl schönsten Aussicht aller Starbucks: auf die Karsteinfelsen. Außerdem haben wir Lust auf westlichen Frühstück und Heiko braucht seine tägliche Kaffeeration. Blöd nur, wenn so früh am Morgen der zweite Stock noch gesperrt ist. Also doch keine schöne Aussicht, dafür ein leckeres Caramel-Zimt-Brötchen.
Yangshuo-Reisetipp Nr. 2: Mit dem Fahrrad den Yulong-River entlang radeln und mit dem nicht-motorisierten Bambus-Boot wieder zurück – theoretisch
Dann suchen wir Fahrräder. Und werden sogar schnell fündig. Für 2,55 € können wir die einfachen Räder ohne Gangschaltung den ganzen Tag nutzen. Der Händler sagt noch irgendwas von wegen, dass heute ein „race“ sein soll und die Straßen gesperrt sind. Wir denken uns: „Irgendwie kommen wir schon auf die andere Seite“. Pustekuchen.
Wenn die Chinesen was absperren, dann richtig. Die komplette Hauptstraße ist von Anfang bis Ende zu. Das Race ist ein Fahrradrennen und endet scheinbar direkt am Fluss und in der schönsten Ecke Yangshuos, wo wir hin wollen. Man kommt also nirgends auf die andere Seiten. Einwohner von drüben sind quasi einen Tag eingesperrt in ihrer eigenen Wohngegend. Nett.
Da wieder niemand Englisch sprechen kann, kann uns auch keiner sagen, wie lange das Race geht. Auch nicht die Oma, die im „International“ Hostel arbeitet. Okay, zugegeben, auf die Idee nach der Uhrzeit zu fragen kommen wir gar nicht.
Und dann ist es mal wieder so weit: Lisa muss anfangen zu heulen. Weil es, seit wir in China sind, alles nicht so richtig rund läuft und wir in Yangshuo nun so gar nicht das gemacht haben, was wir uns vorgenommen hatten. Keine romantische Fahrradtour, kein leises Bambus-Boot, kein Hotel mit Pool.
Plan B: Fahrradtour in Yangshuo – die andere Seite
Verzweifelt sind wir jetzt auf der Suche nach einem schönen Spot auf der anderen Seite der Stadt. Bei 40 Grad radeln wir über den heißen Asphalt, quer durch Yangshuo Richtung Li River. Es ist unerträglich heiß. Die Schweißperlen rinnen von unserer Stirn, unsere T-Shirts sind nach wenigen Minuten klitschnass. Neues Ziel: ein in Maps.Me ausgewiesener Panoramapunkt (Jade Hill) am Li River.
Dort angekommen, müssen wir noch zehn Minuten einen Berg hochlaufen. Und tatsächlich ist da ein netter Ausblick auf den Fluss und die Karsteinfelsen. Es warten sogar zwei goldene Stühle auf uns. Schweißtuch rausgeholt, Stirn abgetupft und kurz genossen. Es ist wie ein kleines Trostpflaster mit Enten drauf. Nach ein paar Minuten machen wir uns direkt wieder auf den Rückweg.
Yangshuo-Tagesausflug nach zwei Stunden wieder beendet – mit einer wichtigen Lektion
Frustriert bringen wir die Fahrräder zurück. Okay, ich bin frustriert, Heiko ist unverwüstlich. Nach einem Boxenstopp im Watson, hier gibt es alle westlichen Kosmetikprodukte die man sich vorstellen kann, und einem Mango Shaved Ice, fahren wir mit dem Bus zurück nach Xing Ping.
Im Bus beschließe ich dann, nicht mehr zu heulen, wenn mal was nicht klappt. Nicht immer so negativ zu sein und im Nachhinein zu denken, wie es hätte besser laufen können:
negatives Ich: „Hätten wir nur das und das gemacht, dann wäre es besser geworden …“ „Hätten wir bloß unseren Plan verfolgt und hätten in Yangshuo geschlafen.“ „Hätten wir bloß die Polizisten gefragt, wann das Race zu Ende ist (um 15 Uhr waren die Absperrungen aufgelöst).“ „Hätten wir gestern nicht so beim Essen rumgetrödelt, dann hätten wir noch den Sonnenuntergang gesehen.“
Im Urlaub kann halt nicht jeder Tag ein Highlight sein. Manchmal hat man Pech mit dem Wetter, mal ist man krank, mal entscheidet man falsch. Trotzdem haben wir eine gute Zeit. Meine Liebe ist hier bei mir, wir sind gesund und wir wurden noch nicht beklaut. Besser kann es gar nicht laufen. Trotzdem bin ich oft so schnell unzufrieden – daran muss ich echt arbeiten! Geht es nur mir so?
Auf jeden Fall werde ich jetzt versuchen:
- positiver zu denken,
- das Wort „leider“ aus meinem Wortschatz zu streichen,
- meine FOMO (Fear of Missing out/ Angst etwas zu verpassen) zu überwinden,
- im Moment zu leben.
positives Ich: Et kütt wie et kütt, sagt die Wahl-Rheinländerin in mir. Und so wie es ist, ist es gut.
Xing Ping-Reisetipp Nr. 6: Sonnenuntergang auf dem Laozhai Mountain schauen
Und natürlich hat unser nicht so wie geplanter Yangshuo-Tagesausflug noch ein mega schönes happy Ending!
Dieses Mal sind wir pünktlichst vom Hostel los (Vorher gab es wieder beim Schreihals Essen: Bambusreis mit Fisch aus dem Fluss. Keine Lebensmittelvergiftung. Whoop.). 17 Uhr wandern wir den Laozhai Mountain hinauf. 45 Minuten, 1.149 Stufen und sicher einen Liter Schweiß später, sind wir auf dem Gipfel angekommen. Verbotenerweise (pssst!) gehen wir noch etwas höher als die Plattform, also wirklich auf den Gipfel. Und sitzen mit einer handvoll anderer Menschen auf den Steinen und genießen die Aussicht.
Es ist atemberaubend hier oben. Ich kann die Schönheit dieser Landschaft und das Wunder an Natur vor meinen Augen gar nicht in Worte fassen. Ich habe noch nie etwas vergleichbares gesehen. Um uns herum, so weit das Auge reicht, stehen hunderte von Karsteinfelsen. Manche so hoch wie ein 10-stöckiges Hochhaus, manche kleinere Felsen schmiegen sich an sie heran. Zusammen mit dem nebligen Dunst, der im Hintergrund herrscht, habe ich das Gefühl doppelt zu sehen. Die Berge verschwimmen im Hintergrund. Unter uns schlängelt sich der Fluss das Tal entlang. Der Himmel ist blau und trägt Zuckerwatte-Wolken, die langsam weiterziehen.
Und ganz langsam nimmt die Sonne ihren Lauf, steigt immer weiter hinab, bis sie hinter den gewaltigen und doch so majestätischen Bergen verschwindet. Wir warten noch, bis sich der Himmel rot, pink und lila verfärbt und auch diese Farben langsam von den ersten Strahlen der Nacht verschluckt werden.
Xing Ping-Reisetipp Nr. 7: Steig früh genug wieder ab, Du willst nicht im Dunklen die Treppen runterfallen
19 Uhr machen wir uns dann wieder auf den Weg nach unten. Ich klettere vorsichtig aber bestimmt die schmalen Treppchen und Felsvorsprünge herunter. Wir schaffen es auch rechtzeitig, bevor die Nacht auch das letzte Sonnenlicht im Wald verschluckt hat.
Unten stehen wir noch kurz am Fluss und bestaunen die in der Dunkelheit und im Laternenlicht leuchtenden Karsteinfelsen. Heiko spielt wieder mit Licht und seiner Kamera und schießt dieses coole Foto von mir.
Happy End in Xing Ping
Sehr sehr glücklich über diesen mega tollen Ausblick bei Sonnenuntergang, gehen wir schlafen. Alles hat seinen Sinn. Vielleicht war der Sonnenuntergang heute viel besser als der gestern. Vielleicht auch nicht.
neues Ich: Was zählt ist, dass wir jetzt in diesem Moment das Glück im Herzen hatten, dass es uns gut geht, wir zusammen sind und alles unperfekt, perfekt ist.
Meine Ausgaben heute
Tjaa, leider leider ist meine Exceltabelle abgestürzt und hat alle meine Kosten für China gelöscht. Ich habe versucht etwas zu rekapitulieren. Ab Tibet habe ich wieder alles getracked. In Guilin haben wir pro Person 417,82 € abgehoben. Die Summe hat bis Zhangjiajie City gereicht.
Was kosten Xing Ping & Yangshuo?
- Return-Busticket Xing Ping – Yangshuo: 1,80 €
- Frühstück im Starbucks: Caramel-Zimt-Brötchen und Iced Green Tea für 10,17 €
- Fahrradverleih für den ganzen Tag: 2,55 €
- Drogerie-Einkauf bei Watson: 12,62 €